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„Meine Reise in die Zukunft“

So beschreibt Guido aus Peru seine lang ersehnte Reise nach Europa

Mein Name ist Guido Alberto Calderon Pulache. Ich bin Peruaner und lebe in Piura, einer Stadt ganz im Norden Perus, nahe der Küste. Über viele Jahre hinweg haben Freiwillige aus Deutschland während ihres Einsatzes bei CANAT (Anmerkung: Zentrum zur Unterstützung arbeitender Kinder und Jugendlicher) in meiner Wohnung gelebt. Seit 2015 verfolge ich den Traum, selbst einmal Europa kennenzulernen. Doch die Realisierung dieses Abenteuers war sehr kompliziert - immer wieder kam etwas Unvorhergesehenes dazwischen: die Erkrankung von Familienangehörigen, die Pandemie und zuletzt der Ukraine-Konflikt. Es schien, als habe irgendjemand etwas dagegen, dass ich nach Europa reise...
Meiner Freundin Inés habe ich es zu verdanken, dass ich diesen Traum nun endlich erfüllen konnte. Sie hat mich immer wieder ermutigt, daran festzuhalten und die Hoffnung nicht zu verlieren, die Welt meiner Freunde in Europa kennenzulernen.
Als ich am 04. August 2022 in Frankfurt ankam, war das erste, das ich wahrgenommen habe, die absolute Stille auf den Straßen. Ich wusste nicht, was los ist. Ich habe absolut nichts gehört. Das hat mir ein bisschen Angst gemacht. Denn in Piura herrscht immer und überall Lärm. Was mich ebenfalls sehr überrascht hat: es gibt keine Straßenhändler. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist – aber in Deutschland muss man stets in ein Geschäft gehen – der Händler kommt nicht zum Kunden!
Um ehrlich zu sein – in den ersten Tagen habe ich mich etwas seltsam gefühlt. Auch die Menschen sind total verschieden – sie haben blondes, rotes oder ganz buntes Haar. Das gibt es in Peru nicht! Menschen, die keine schwarzen Haare tragen, sind dort eine absolute Attraktion!
Und auch meine Freunde haben sich auf eine bestimmte Art und Weise verändert. Sie sind keine Heranwachsenden mehr, wie ich sie vor drei, vier oder mehr Jahren kennengelernt haben. Sie sind erwachsen geworden und gehen ihren Weg. Aber eines ist gleichgeblieben: ihre Menschlichkeit! Sie kümmern sich um Kinder, Nachbarn, Angehörige. Und ihre Familien haben mir ihre Herzen geöffnet und mich aufgenommen, so wie ich sie damals.
Ein weiterer großer Unterschied: in Peru gibt es keine Züge! In Deutschland bin ich oft im Zug gereist und er hat mich nach Nord, Ost, Süd und West gebracht. Ich war total desorientiert. Aber dank der Hilfe meiner Freunde habe ich mich zurechtgefunden!
Eines der bewundernswerten Dinge in Deutschland ist auch das Recyclingsystem. Für Plastikflaschen, die man zurückgibt, erhält man 0,25 EUR Pfand. Ich war überwältigt, als ich das sah. Hätten wir dieses System in Peru, könnten wir den Plastikmüll extrem reduzieren!
Außerdem habe ich festgestellt, dass das Fahrrad in Deutschland ein sehr bedeutendes Verkehrsmittel ist. In Peru ist das Fahrradfahren sehr gefährlich, da die Verkehrsregeln kaum beachtet werden. In Deutschland hatte ich die Möglichkeit, mit dem Rad zu fahren und ich hatte anfangs Angst, etwas falsch zu machen – auf der falschen Spur zu fahren oder eine Regel nicht zu beachten.
Außerdem traf ich auf Menschen aller Art: ich habe eine Jugendliche gehört, die sagte, sie müsse sich eine neue Handtasche kaufen, da ihre alte schließlich vom vergangenen Jahr ist und sie diese nicht mehr haben möchte. Wie verrückt – aber gut; so ist es!
Was mir auch gut gefällt sind die Gärten, in welchen die Menschen ihr Gemüse direkt am Haus anbauen. Wie toll wäre das auch in Peru – schließlich haben wir ein sehr gutes Klima!
Was nehme ich mit aus Deutschland? Die Gastfreundschaft aller Freiwilligen und ihrer Familien. Sie haben mich aufgenommen wie ein weiteres Familienmitglied, haben mich in ihre Aktivitäten integriert und mir so viel gezeigt! Dafür bin ich ihnen sehr dankbar! Ich habe mich nie wie ein Besucher gefühlt, denn ich war völlig integriert.
Die Freiwilligenprogramme, die es in Ländern wie Deutschland gibt, helfen den Freiwilligen, ihren Blick zu öffnen. Manche ändern danach sogar ihren Beruf, andere kommen zurück und benötigen nur noch einen Bruchteil ihres materiellen Besitzes.
Ich würde mir wünschen, dass mein Land auch die Möglichkeiten hätte, junge Menschen in derart weit entwickelte Länder wie Deutschland zu senden, um andere Kulturen kennenzulernen, denn dies würde ihre Ansichten komplett ändern. Dadurch könnten alle nur gewinnen! Denn die Menschen sind gesandt, um zu helfen.
Das Freiwilligenprogramm Jesuit Volunteers hilft sehr – wie im Falle von CANAT. Ich hoffe so sehr, dass sie niemals aufhören! Muchas gracias!