Eva und Claus berichten vom 2. JV-Vorbereitungsseminar (15.-18.05.) in Nürnberg:
"Obdachlose sind selber an ihrem Schicksal Schuld – das glauben sicherlich viele Menschen, die das Privileg haben, jeden Tag zur Arbeit gehen zu dürfen und sich keine Gedanken darüber machen müssen, wie sie den Tag überleben.
Wie der ein oder andere vielleicht schon erraten konnte, war das Thema unseres zweiten Vorbereitungsseminars auf unseren Freiwilligendienst im Ausland „Armut“. Im Rahmen der ersten Einheit haben wir uns mit Spiritualität beschäftigt: „Was bedeutet Spiritualität für uns und was macht sie mit uns?“
Am nächsten Tag haben wir uns mit Fragen über unseren Alltag konfrontiert: „Wie viel Geld gebt ihr pro Tag aus und was ist eigentlich die Definition von Luxus?“ Fragen, die im ersten Moment schwer zu beantworten waren, da viele von uns nicht regelmäßig ihren Umgang mit Geld reflektieren. Ergebnis ist: richtiger Luxus ist doch eigentlich, dass keiner von uns sich Gedanken über seine Ausgaben macht. Diese Entscheidungsfreiheit bedeutet eine gewisse Unabhängigkeit von Geld, die viele Menschen in ihrem Alltag nicht haben, wie beispielsweise Studierende, Großfamilien oder Menschen mit wenig finanziellen Mitteln. Zu dem Thema haben wir uns eine Dokumentation über Armut und Hunger angesehen, da diese eng miteinander verflochten sind: Wusstet ihr zum Beispiel, dass eine Rose ca. fünf Liter Wasser verbraucht? Dadurch wird das Trinkwasser der einheimischen Bevölkerung knapp und die Menschen müssen auf verunreinigte Quellen zugreifen. Wasserknappheit trifft zudem auch die subsistenzwirtschaftliche Landwirtschaft, auf die Einheimische angewiesen sind. Wenn kleine Bauern weniger Wasser für ihre Nahrungsmittelpflanzen haben, sinkt die lokale Lebensmittelproduktion, was zu steigender Abhängigkeit von teureren Lebensmitteln führt. Dies kann zu steigender Unterernährung und Hunger führen, besonders bei Kindern und ärmeren Haushalten.
An diesem Tag präsentierten wir uns außerdem interessante Fakten zu unseren jeweiligen Einsatzländern: Peru, Indien, Vietnam und Griechenland.
Am Samstag fuhren wir direkt am Morgen in die Nürnberger Innenstadt, ins Büro von "Jesuit Volunteers". Dort haben wir über unseren Eindruck von Armut in den jeweiligen Heimatregionen geredet.
Dazu wurden wir zu einem sozialen Experiment eingeladen, bei dem man ohne Handy, Portemonnaie und andere Wertsachen, aber dafür mit einem Euro den Mittag verbringen sollte. Außerdem wurde uns eine Aufgabe erteilt, die Überwindung kostet: Pfand aus Mülleimern am Bahnhof sammeln, in die Bahnhofsmission gehen oder eine Unterhaltung mit einem Obdachlosen führen.
Danach lernten wir Felix kennen, welcher uns Fragen über das Leben auf der Straße beantwortete und wie er staatliche Hilfe sieht bzw. wie er damit umgeht.
Danach stand eine Stadtführung auf dem Plan. Jedoch keine gewöhnliche, sondern aus den Augen von Claus, der beim „Straßenkreuzer“ in Nürnberg arbeitet. Der Straßenkreuzer ist ein Sozialmagazin, das seit 1994 in Nürnberg, Fürth und Erlangen erscheint und von Menschen in sozialen Notlagen – insbesondere von Obdachlosen und Erwerbslosen – verkauft wird. Es dient als Instrument der Hilfe zur Selbsthilfe, indem es diesen Personen ermöglicht, durch den Verkauf der Zeitschrift ein eigenes Einkommen zu erzielen und soziale Teilhabe zu erfahren. Zudem informierte uns Klaus über mögliche Hilfestellungen, wie zum Beispiel das Existenzamt, die man in Anspruch nehmen sollte, falls man in eine Situation wie diese kommt.
Am letzten Tag haben wir noch einen Exkurs gemacht zu Ignatius von Loyola, welcher der Ordensgründer vom Jesuitenorden ist. Er war ein spanischer Adliger, der nach einer schweren Kriegsverletzung eine tiefgreifende spirituelle Wandlung erlebte. Während seiner Genesung begann er, sich intensiv mit religiösen Texten zu beschäftigen, was ihn dazu veranlasste, sein Leben Gott zu widmen. „Gott in allen Dingen suchen und finden“ ist ein zentrales Leitmotiv im Glauben. In seinen Geistigen Übungen (Exerzitien) lädt Ignatius dazu ein, Gott nicht nur in Gebet und Liturgie, sondern auch im Alltag, Natur, zwischenmenschlichen Beziehungen und Herausforderungen zu erkennen."