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Weit weg, aber im Herzen ganz nah!

Verena berichtet über ihr Engagement seit ihrem Freiwilligendienst

Fast 20 Monate und über 10.800 km liegen zwischen meinem Freiwilligendienst bei den Kindern von CANAT in Perú und meinem Leben jetzt und dennoch fühle ich mich den „manitos“ (das sind die arbeitenden Kinder, um die sich CANAT kümmert) so nah.

Ein Jahr gemeinsam teilen mit allem, was dazu gehört – den Glücksmomenten, dem ausgelassenen und herzlichen Lachen der Kinder, ihrem unbeschwerten Spielen, aber auch den Sorgen der Familien um das tägliche Überleben im Kampf gegen Armut, Hunger und die schwere körperliche Arbeit ihrer Kinder, ohne dessen Einkommen sie es nicht schaffen würden! Ja, ein solches Jahr prägt und setzt vieles in meinem Leben hier in Deutschland in ganz neue Relationen.

Vergessen kann man all diese Erlebnisse, mitgelebt und -getragenen Ungerechtigkeiten nicht! Genau das ist es auch, was meine Energie nicht schwinden lässt, um mich für die „manitos“ und deren Zukunft einzusetzen. Sie haben so viele Träume und Visionen, für die sie alles geben – manche sogar ihre Kindheit, die täglich aus vielen Stunden harter Arbeit auf dem Markt oder in anderen niederschwelligen Bereichen besteht und oft viele Gefahren für sie birgt – körperlich und psychisch.

Doch wie gelingt es, diese beiden Welten miteinander zu verbinden – eine Brücke zu schlagen zwischen meiner Heimat hier in Deutschland und Perú?

Schon während meiner Zeit in der heißen Küstenstadt Piura habe ich viel in die Heimat berichtet über die Lebensbedingungen der Kinder, die bei CANAT einen Zufluchtsort finden und durch Bildung, Gemeinschaft und Fürsorge vorbereitet werden auf eine selbstbestimmte Zukunft abseits der bitteren Armut. Dabei bin ich durch viele E-Mails an Freunde und Kollegen, Berichte auf meinem Blog (www.verenainperu.com) und Artikel in der Zeitung meiner Kirchengemeinde auf große Aufmerksamkeit gestoßen. Es kamen viele Fragen, Selbstreflexionen und nicht zuletzt auch Spenden für CANAT zu mir zurück.

So war es keine Frage, auch nach meiner Rückkehr diese Brücke weiter auszubauen:

  • Der Chor, in dem ich seit über 20 Jahren mitwirke, hat entschieden, die erworbenen Spenden aus dem Jubiläumskonzert im November 2019 komplett für CANAT zu bestimmen. So hatte ich die Chance, im Konzert über das Leben der fünf- bis 18-jährigen „manitos“ zu berichten und die Zuhörer dabei mit nachdenklichen Gesichtern wahrzunehmen – ja manche sogar mit einem Tränchen in den Augen als sie hörten, dass deren Zuhause nicht mehr als eine Bretterhütte ist, sie mit Hühnern, Hunden und Kakerlaken darin leben und fließendes Wasser sowie Strom bei weitem nicht zur selbstverständlichen Grundversorgung gehören. Die eingenommenen Spenden haben mich überwältigt und haben hunderten von Familien bei CANAT geholfen, dem Hunger in der Pandemie zu entfliehen, der für sie beinahe so gefährlich ist wie das Virus selbst.
  • Meine Kollegen löcherten mich nach meiner Rückkehr mit Fragen und so kam die Idee, sie bei der Weihnachtsfeier 2019 mit auf eine virtuelle Reise nach Perú zu nehmen – das Land jedoch nicht als Tourist kennen zulernen sondern reell, unverfälscht und mit allen Herausforderungen, denen sich die Menschen dort täglich zu stellen haben. Ein Bericht darüber in der internen Mitarbeiterzeitung erreichte letztlich 800 Kollegen. Immer wieder werde ich bei Kontakten mit ihnen auf die aktuelle Situation in Peru angesprochen – selbst Spenden von Spielzeug und Kinderkleidern wurden mir schon angeboten „denn unsere Kinder haben sooo viel und wissen es gar nicht zu schätzen“, wie mir dann des Öfteren gestanden wird.
  • Vom örtlichen Landfrauenverein wurde ich angesprochen und im Februar 2020 um einen Vortrag in deren Reihen gebeten. Die Fragen der Frauen ebbten nicht ab und sie waren sehr ergriffen, besonders als sie sahen, dass die Mütter das Essen auf dem Land noch in einem Kessel über dem offenen Feuer zubereiten und die Kinder in schmutzigen Kleidern und barfuß über den staubigen Boden springen und mit den streunenden Hunden spielen.
  • Durch die enge Verbundenheit zu unserer Kirchengemeinde stieß ich bei unserem Pfarrer schnell auf offene Ohren, einen Neujahrsgottesdienst auszurichten, musikalisch gestaltet mit meinem Ensemble „ad libitum“ und gestellt unter das Motto „Ich schenke dir einen Herzensmoment“. Auch hier gab ich den Kirchenbesuchern, die mich fast alle persönlich kennen, einen direkten Einblick in das, was sie während meines Auslandseinsatzes von meinen Berichten nur lesend erfahren haben. Zu einem Herzensmoment wurde es dann auch für die „manitos“ durch die anschließenden Spenden, die ich mit kleinem Kunsthandwerk aus Perú, selbstbemalten Stofftaschen der „manitos“ und von mir genähten Accessoires für sie erhalten durfte. Und auch diese Brücke steht stabil im Fundament!
  • Das jüngste „Projekt“ hat mich ebenfalls glücklich und zugleich ein bisschen stolz gemacht, denn mit einem Foto von den Kindern des Fischerstädtchens „La tortuga“, die wir Freiwillige abseits des Projekts CANAT immer samstags besuchen und betreuen durften, habe ich den ersten Platz eines regionalen Fotowettbewerbs „Mein Herz schlägt für die Welt“ belegt. Jetzt schaut „die Welt“ auf sie, wie sie mit ihren jungen Jahren ihren Eltern in der Fischerei im temperamentvollen Pazifik zur Seite stehen – abseits von jeglicher Zivilisation. Und sie strahlen dabei die Besucher an, als wollten sie sagen: „Macht euch keine Sorgen – auch wenn das Leben manchmal hart ist, darf man das Fröhlichsein niemals verlieren!“

Es ist schön zu sehen, dass man die Menschen im Herzen erreichen kann, dass es möglich ist, Interesse zu wecken, um Solidarität zu leben und auch das eigene Leben einmal kritisch zu überdenken; vorhandenes wieder wertzuschätzen und zu erkennen, wie erfüllend ein Leben „auf Augenhöhe mit den Mitmenschen“ sein kann.

Bei allem treibt mich ein Zitat von Marcus Tullius Cicero an:
„Das Bewusstsein eines wohlverbrachten Lebens und die Erinnerung vieler guter Taten sind das größte Glück auf Erden.“

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